Józef Unrug (1884–1973)

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Geboren wurde er als Joseph von Unruh in Brandenburg in der aristokratischen Familie des königlich-preußischen Generalmajors Tadeusz Unrug und Isidora Gräfin von Bünau. Sein Vater, wenngleich langjähriger Adjutant des Bruders von Kaiser Wilhelm I., machte aus seiner polnischen Identität nie einen Hehl. Und so wurde Józef wurde nach polnischer Tradition erzogen. In seiner Jugend faszinierten ihn Abenteuer- und Reisebücher, was ihn dazu bewog, ab 1904 an der Kieler Akademie der Kriegsmarine zu studieren. 1907 folgte seine Beförderung zum Offizier. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs erreichte ihn auf dem Schiff „Friedrich der Große”, einem Flaggschiff der Kaiserlichen Kriegsmarine. Von 1915 bis 1919 diente er auf U-Booten, u.a. als Schiffskommandeur, dann als Kommandant einer U-Boot-Schule und anschließend als U-Boot-Flottillenkommandeur.

Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit durch Polen im März 1919 wurde er auf eigenen Wunsch aus dem Dienst entlassen. Er kehrte ins Land zurück und trat nach einer Überprüfung in die erst noch aufzubauende polnische Kriegsmarine (als einer von nur sechs Offizieren der deutschen Flotte) ein. 1920 kaufte er mit eigenem Geld das erste polnische Schiff – die ORP „Pomorzanin”. Anschließend fungierte er u.a. als Stabschef beim Flottenkommando und setzte sich dabei intensiv für den Wiederaufbau der Kriegsmarine ein. 1923 wurde er auf eigenen Wunsch zur Reserve versetzt, doch bereits 2 Jahre später setzte Präsident Stanisław Wojciechowski ihn erneut in den aktiven Dienst ein und ernannte ihn zum Flottenkommandeur in Gdynia. 1932 wurde er zum Konteradmiral befördert und 6 Jahre später mit dem Großkreuz des Ordens der Wiedergeburt Polens ausgezeichnet.

Im August 1939 übernahm er das Kommando über die Küstenverteidigung mit Sitz in Hela. Das von ihm verteidigte Gebiet war seit Kriegsbeginn vom übrigen Land abgeschnitten. Trotzdem war es eines jener Widerstandsnester, die sich am längsten halten konnten:

Wir sind die letzten Verteidiger des Vaterlandes. Wir müssen bis zum letzten Augenblick auf unserem Posten verharren, um der Welt zu demonstrieren, dass der polnische Soldat auch unter schwersten Bedingungen keinen Fußbreit seines Landes kampflos aufgibt. Die größten Opfer und das vergossene Blut werden zu einem lebenden Zeugnis für unser Verharren am polnischen Meer. Soldaten! Die Verteidigung von Hela ist nicht nur ein Symbol, sondern auch eine reguläre Soldatenpflicht, die Polen in diesem Augenblick von uns verlangt und die wir hingebungsvoll erfüllen müssen.

                                                                                              (Józef Unrug im September 1939)

Erst die Unmöglichkeit, sich noch weiter zu verteidigen (erdrückende Übermacht des Feindes, fehlende Munition und Lebensmittel, defätistische Stimmungslage unter den Verteidigern), führte dazu, dass er am 2. Oktober 1939 kapitulierte. Zusammen mit seinen Soldaten kam er nun in Gefangenschaft. Man internierte ihn nacheinander in sieben Offiziers-Gefangenenlagern (Oflags): X B Nienburg, XVII C Spittal, II C Woldenberg, VIII B Silberberg, IV C Colditz, VIII E Johannisbrunn und VII A Murnau.

Er solidarisierte sich mit seinen Unglücksgefährten. Als aus dem ersten Lager die Kolonne seiner vormaligen Untergebenen aufbrechen sollte, schloss sich der Admiral beim Appell ganz unerwartet den reisefertigen Offizieren an und erklärte, den Koffer in der Hand, er wolle zusammen mit denjenigen fahren, mit denen er auf Hela kämpfte. Entgeistert respektierten die Deutschen seinen Entschluss. Mit seiner Autorität und Gesinnung wirkte er stark auf die Mitinternierten und hielt so die Disziplin, ein hohes Empfinden für Würde und Ehre sowie den Glauben an einen endgültigen Sieg aufrecht. Er verlangte eine kompromisslose Haltung gegenüber Deutschen, z.B. die Ablehnung eines Handschlags zur Begrüßung oder zum Abschied. Er untersagte auch kategorisch jedes Gespräch mit ihnen – für die notwendigen Dienstkontakte waren ausschließlich eigens von ihm benannte Offiziere zuständig. „Ich werde mich immer an seine hochaufgerichtete, elegante Gestalt erinnern, wenn er mit seinem unzertrennlichen Stock in der Hand durch das Lager flanierte. Ebenso bleibt mir stets in Erinnerung, dass der Konteradmiral den Mitgefangenen gegenüber stets höflich und freundlich war, dagegen war er den Deutschen gegenüber demonstrativ hochmütig und kühl“, erinnerte sich Stefan Jellenta, und Jerzy Młodziejewski fügte hinzu: „Als Admiral Unrug einmal in Gesellschaft einiger Kommandeure durch das Lager spazieren ging, strahlte er dabei eine unerklärliche Majestät aus”.

Die sieben Gefangenenlager vermochten seinen festen Charakter nicht zu brechen. So lehnte er u.a. eine Sonderbehandlung, wie sie ihm die deutsche Lagerverwaltung angesichts seines Dienstes bei der Kaiserlichen Kriegsmarine anbot, ab. In der Gefangenschaft mied er von Anfang an Gespräche mit deutschen Offizieren ohne polnische Zeugen und einen Dolmetscher, obwohl er fließend Deutsch sprach. In den Lagern las er über 400 Bücher auf Englisch und Französisch, aber keines auf Deutsch. Entschieden wies er die Versprechen zu seiner Freilassung aus der Gefangenschaft, eine Staatsbürgerschaft im Dritten Reich und eine seiner Position entsprechende Dienststellung bei der Kriegsmarine zurück. Er ließ sich zu keinen Privilegien verlocken und blieb unbeugsam:

- Sie haben auf das falsche Pferd gesetzt, Herr Admiral.

- Das Rennen ist noch nicht zu Ende, trotzdem weiß ich schon, welches Pferd als erstes das Ziel erreichen wird, Herr General“, entgegnete Unrug mit Fassung durch einen Dolmetscher.

(Aus dem Gespräch zwischen Generalmajor Jesko von Puttkamer, dem deutschen Lagerkommandanten im Oflag II C Woldenberg, und Konteradmiral Józef Unrug, nach einem misslungenen Versuch, den Gefangenen zum Unterschreiben der Deutschen Volksliste zu bewegen)

Dahingehende Versuche unternahm auch sein Cousin aus der deutschen Linie der Familie Unruh, doch der Admiral lehnte in dem auf Französisch geführten Gespräch dezidiert ab. Von da an brach er jeglichen Kontakt zum deutschen Teil seiner Familie ab. Als Vergeltung für seine Kompromisslosigkeit wurde er in ein Lager mit verschärftem Vollzug verlegt – das Oflag VIII B Silberberg (Srebrna Góra). In einem weiteren in Colditz gab er infolge unehrenhaften Gebarens des Lagerkommandanten seine Funktion als Vertrauensmann auf.

Er wurde am 29. April 1945 durch amerikanische Truppen aus dem Oflag VII A Murnau in Bayern befreit. In die nunmehr kommunistisch regierte Heimat wollte er nicht zurückkehren und ließ sich in Großbritannien nieder, wo er in der Führung der polnischen Kriegsmarine im Westen mitwirkte. 1946 wurde er zum Vizeadmiral befördert. Zwei Jahre später ging er zu einem Kontrakt nach Marokko, 1955 ließ er sich in Frankreich nieder. Er erhielt kein Ruhegehalt. Begraben wurde er auf dem Friedhof im französischen Montrésor, auf seinen Sarg wurde eine Handvoll Erde aus Oksywie gelegt, denn es war ihm nicht vergönnt, auf dem Friedhof von Oksywie seine letzte Ruhestätte zu finden, wie er es sich innigst gewünscht hatte. Trotz deutscher Wurzeln und Ausbildung blieb er zeit seines Lebens ein Pole. 

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